Verkostung im „Florian”
Diese website ist sehr „Brunello-lastig”, naja, ist ja auch mein Lieblingswein, ich hoffe dennoch nicht zu langweilen
Im knapp 6000 Einwohner zählenden Montalcino ist die Anzahl der traubenerzeugenden Bauern mittlerweile auf
über 300 angeschwollen, mehr als 270 davon füllen selber ab! Das heisst, es gibt mit Stand August 2019 über 270 Weingüter in diesem nicht gerade riesigen Gebiet, das noch immer mit viel intakter Natur gesegnet und ausgedehnten Waldgebieten
bewachsen ist!
...Brunello di Montalcino ... ein Begriff ungefähr so bekannt und so mystisch wie Aston Martin, Janis Joplin oder Zanzibar. Alle die sich ein wenig mit Wein beschäftigen, haben zumindest vom legendenumwobenen Roten aus der südlichen
Toskana gehört. Bevor in den 90-ern der riesige Boom des „kleinen Braunen” (so die Bedeutung des Namen, weil er leicht hellbraune Farbreflexe im Glas zeigt) im beschaulichen Bergstädtchen Montalcino einsetzte, gab es 1990 knapp unter
80 Weingüter. Ich war in diesem Jahr zum ersten Mal selbst vor Ort, der damals noch ohne Amis/Japaner und sehr italienisch/erdig war, und hatte gerade erst begonnen Wein zu erforschen und zu verstehen. Unvergesslich mein - durch junge Winzer mitverursachter
- Absturz im legendären „Caffe Fiaschetteria Italiana 1888” ... hier gab es plötzlich diesen sagenumwobenen Stoff glasweise zu verkosten, mit über 20 offenen Flaschen des Kult-Tropfens. Soviel ich mich erinnere gab ich nach dem neunten
„Achterl” w-o, habe es gerade noch in meinen Subaru Justy geschafft, und bei einem weltuntergangsähnlichen Gewitter mitten am Kirchenplatz meinen herrlichen Sangiovese-Rausch im Auto ausgeschlafen. Morgens weckte mich der Pfarrer und meinte,
ich solle doch so höflich sein, und meine „macchina” von der Kirchentreppe wegfahren, damit die Leute die heilige Messe besuchen könnten... eingekauft habe ich damals einige wenige Flaschen des großen 1985-er Jahrgangs. Der „Il
Paradiso di Manfredi” war sensationell (die Weine der Familie Guerrini gehören noch immer zu den Allerbesten!), meine letzte Flasche überlebte knapp das Millenium und wird mir ewig in Erinnerung bleiben, war es doch der erste selbstimportierte
Brunello. Jetzt schreiben wir 2022, in Montalcino gibt es über 300 Weingüter und der Boom konnte auch durch Corona fast nicht gebremst werden!
Der Wein: ein echter Brunello besteht zu 100% aus einem nur in der Gegend rund um Montalcino angebauten
Sangiovese-Klon, dem Sangiovese Grosso. Bevor er in den Verkauf geht, muss ein Brunello zumindest viereinhalb Jahre am Weingut lagern, davon 24 Monate im Holzfass. Hier hat man die Gesetze leider in mehreren Schritten gelockert, und neben den großen
Fässern aus slawonischer Eiche auch Barriques mit 225l Fassungsvermögen zugelassen, was zu einem Boom dieser Behältnisse in den späten 90-ern und frühen 2000-ern führte. Die ganz klassische Ausbaulinie ist aber nach wie vor 36
Monate in großen slawonischen Eichenfässern (den „Botti”) und ein Jahr in der Flasche (eine „richtige Riserva” sollte knapp 4 Jahre im Fass und mindestens 6 Monate in der Flasche reifen). Dieser Ausbau wird immer noch von
den alteingesessenen Weingütern bevorzugt und auch immer mehr der neuen Betriebe greifen wieder auf das große „Botte” aus slawonischer Eiche zurück. In manchen modernen Fattorien kommen allerdings ausschließlich die kleinen
Barriques zum Einsatz, was natürlich den Charakter eines Brunello stark beeinflusst. Dazu gibt es interessante Forschungsergebnisse von Francesco Illy (ja - DER Illy aus Triest), der auf seinem superfeinen Demeter-Weingut „Podere Le Ripi”
auch mit wenigen Barriques arbeitet (legendär seine neue Pflanztechnik und der gleichnamige Wein „Bonsai”). Illy meinte auf meine Frage große Botti oder kleine Barriques erklärend, dass dies zwei völlig verschiedene
Alterungsprozesse beim Wein hervorruft. Im Barrique altern die Weine in einer oxidativen Atmosphäre, und im großen Botte in einer reduktiven Atmosphäre. Die Oberfläche des Fasses im Verhältnis zum Wein reduziert sich drastisch wenn
das Fass größer ist und auch die Stärke des Holzes ist beim Barrique viel kleiner. Davon hängt auch die Menge an Sauerstoff, die an den Wein gelangen kann, ab. Hier ist dann die Schnittstelle wo die Menge an Sauerstoff die der Wein benötigt
größer ist als die Menge die das Fass durchlässt: das ist der Moment wo die Atmosphäre im Fass sich von oxidativ zu reduktiv ändert! Was nun passiert ist, dass die roten „Anthocyane”- die Farbmoleküle - rotbräunlich
werden, wenn sie sich in einer reduktiven Atmosphäre befinden, wohingegen sie die original rote oder violett-blaue Farbe behalten, wenn die Atmosphäre oxidativ ist. Daher erklärt sich auch der Name „Brunello”, weil der Wein historisch
in großen Fässern ausgebaut wurde (und eben wird) und sich in einer reduktiven Atmospähre befindet. Modern in Barriques und Tonneaux ausgebaute Brunellos haben dagegen eine dunkelrot/lila-bläuliche Farbgebung.
Franco Biondi Santi,
dessen Großvater Ferruccio Mitte des 19. Jahrhunderts auf der Tenuta Greppo (dem legendärsten Weingut Montalcinos) das weltberühmt gewordene Klon der roten Rebsorte entdeckte, konnte einer potenziellen Lockerung der Produktionsregeln bis zu
seinem Tode nichts abgewinnen und war auch gegen die Verringerung der Fassreife von 36 auf 24 Monate. Das Geheimnis des Brunello sei "Sangiovese in purezza", in absoluter Reinheit, sagte der alte Patriarch, der am 7.4.2013 mit 91 Jahren verstorben ist, einmal
der "Süddeutschen Zeitung". Ein Brunello brauche Zeit. Zeit wurde meiner Frau Renate und mir auf „Il Greppo” auch gegeben, als wir zu einer sehr persönlichen Verkostung eingeladen wurden! Der Weinbaron aus Montalcino war immer fest entschlossen,
das Erbe seines Großvaters beherzt zu verteidigen, es bleibt zu hoffen, dass die neuen Besitzer auf der Tenuta Greppo seinen Auftrag weiterführen! Beim heurigen Besuch in Montalcino (Sommer 2021) erfuhren wir allerdings, dass auf Il Greppo massive
Um- und Neubauten in Planung seien und ALLE Fässer ausgetauscht würden! (Die legendäre Riserva des Hauses wurde bis zum Ableben von Franco zum Teil in über 100 Jahre alten Fässern gereift!)
Jahrgänge: der Jahrgang 2016
zählt bereits jetzt zu den Allerbesten, die in Montalcino jemals vinifiziert wurden, 2015, 2010, 2004, 1997, 1985, und 1955 gehören nach Expertenmeinung ebenfalls zu den größten Jahrgängen seit 1945. Jetzt scheiden sich bei
den „Weinpäpsten” die Geister, ob 2010 besser als 1997 ist, oder gar 2007. Auch mancher Riserva aus 2004 soll das Alles überragen. Wen es interessiert: die anderen offiziellen 5-Sterne Jahrgänge lauten 1961, 1964, 1970, 1975, 1988,
1990 und 1995. Die wirklichen Insider (sie haben keine wirtschaftlichen Interessen so wie die „Sterntaler” Parker und Co, die ja von hoch bewerteten Weingütern wieder Werbeplatz in ihren Medien geschaltet bekommen) wie Kerin O`Keefe, Tim Atkin
und auch einige alte Weinbauern aus Montalcino sehen das etwas anders: O`Keefe meint gar 1997 sei völlig überbewertet, und sämtliche Brunellos die damals in den bereits aufkommenden Barriques ausgebaut wurden, hätten schon das Zeitliche
gesegnet. Einzig die in den großen Eichenfässern gereiften Brunellos seien noch geniessbar. Sie empfiehlt diesen Jahrgang umgehend zu trinken, so man Weine dessen im Keller hat, einzig Biondi Santi solle man „halten”. Auch Tim Atkins,
angesehener Sommelier und Montalcino-Kenner sieht die offizielle Jahrgangsbewertung anders, er gibt für 1999 fünf Sterne, für 2007 dafür nur 4. Dies alles hängt auch mit 5 völlig verschiedenen (offiziell nicht anerkannten, aber
von vielen Winzern geforderten) Subzonen, also Klimazonen im Anbaugebiet, zusammen, sowie mit der Tatsache, dass einige Weingüter bis zum „Brunellopoli”-Skandal im Frühjahr 2008 ihre Brunellos mit kleinen Mengen Merlot und Syrah impften
und so schneller antrinkbar machten (was ja auch durch Barrique-Ausbau beim Brunello erzielt wird). Laut Atkins kamen mit der Ernte 2008 - also nach dem „Brunellogate” - wieder die „ersten wirklich 100%-igen” Brunello seit vermutlich
15 Jahren der „schwarzen Schafe” wie Banfi, Castelgiocondo und einigen anderen in den Verkauf.
Flaschen mit gereiften Weinen in Montalcino zu finden ist immer wieder möglich - wenn man Geld hat ... ein 1970-er Biondi Santi „Il
Greppo” Annata kostet ca 1.200.--, 1997 immerhin auch schon 400.--, somit ist ein 2015-er um 130.-- gut angelegtes Geld, ging doch der Preis in nur zehn Jahren um das Vierfache des Einkaufspreises hinauf. Und haltbar sind Biondi Santis Weine. In einem
gut klimatisierten Keller schaffen die Brunello Annata locker 30-50 Jahre, die Riservas bis zu 100! (man konnte sie bis vor Kurzem aufs Weingut nach Montalcino zum umkorken & „topping up” bringen!) Auf der „Tenuta Greppo” lagern
trinkbare Brunello zurück bis 1888! Auch die Weine von Case Basse, Cerbaiona und einigen anderen Gütern sind lange lagerfähig, ebenso gesucht und sehr hochpreisig. (Solderas rare Brunellos sind nicht mehr unter 900.-- zu bekommen, auch Diego
Molinaris Cerbaiona-Brunellos haben nach seinem Tod stark angezogen, so man überhaupt noch welche im Handel findet, das gilt auch für die Poggio di Sotto Weine die noch Palmuccis Handschrift tragen)
Dieser Hype erzeugte natürlich
– trotz Wirtschaftskrise - auch einen enormen Verkaufserfolg und hat viel Geld nach Montalcino gespült. Im Bergstädtchen herrscht Vollbeschäftigung und noch immer Goldgräberstimmung. Montalcino wurde zum „wirtschaftlichen gallischen
Dorf” das der massiven Rezession in Italien erfolgreich entgegen hält. Abermillionen an Euros werden investiert, verfallene Bauernhäuser entweder in hochmoderne Fattorien verwandelt, oder von Verfechtern der organisch-biodynamischen Landwirtschaft
behutsam in sehr traditionellem Stile geführt. Industrielle, Aussteiger, Künstler, Architekten, Anwälte ... die Liste der Neowinzer ist bunt und lang (so wie mittlerweile ihre Weine), und manchen gelingen auf Anhieb sensationelle Sangiovese.
„Anhieb” bedeutet aber ein Minimum von 10 Jahren bis zum ersten Verkauf eines neuen Weins, so man nicht Land mit alten Weinstöcken erwerben konnte, was selten und SEHR teuer ist. Bei neu ausgepflanzten Reben und der Tatsache einer fast fünfjährigen
Reifung des Weins am Gut ein RIESIGES Investement und kein kleineres Risiko ... nur mitterweile wird das Land in der Gegend knapp. Unter Experten fragwürdige Böden werden mit neuen Sangiovese-Klonen bestockt und das DOCG-Gebiet lässt sich auf
Grund strenger Reglementierungen durch das Konsortium auch nicht beliebig ausweiten - GUT SO!
Preise: man konnte - mit Glück - bis vor Kurzem bereits mit einem Brunello, den Hofer ab und zu im Angebot führte einigen Spaß haben. Ein von
mir erworbener 2007 San Filippo Hofer-Abfüllung (!) war so ein Wein um damals sagenhafte 15,99! Nach drei verkosteten Flaschen war sicher: ein echter Brunello von San Filippo, sehr akzeptables Rotweinkino! Auch das große Gut Val di Suga war mit
einem tollen 2007-er Brunello, der dem „Gambero Rosso” begehrte „Tre Bicchieri” wert war, bei www.ronaldi.de um unglaubliche 18,95 zu bekommen! Merkur (jetzt BillaPlus) führt - immer noch - einen
hochbewerteten 1A-Brunello von Sesta Di Sopra um 22,90 (für den 2016-er), den man immer blind kaufen kann!
Die Preise haben mit dem Jahrgang 2015 allerdings angezogen, mit 2016 geht die Kurve nochmals weiter nach oben und unter 30.-- ist wenig
zu bekommen (mit Geduld und der richtigen Adresse kann man direkt in Montalcino allerdings noch immer den einen oder anderen einfachen Bauern finden mit meist SEHR guten Brunellos um ca 20.— ) Interessant wird es bei den „Annata”-Brunellos
in der Gegend zwischen 30.-- und 50.--, und nach oben hin gibt es fast keine Grenzen, so man auf der Suche nach eben speziellen Jahrgängen, Einzellagen-Brunellos, Riservas usw ist ...
Händler: da unsere österr. Händler
alle nur sehr wenige Weingüter listen, finden sie hier nur am Rande Erwähnung, Wein & CO ist zu empfehlen, wenn auch im Verhätnis teuer.
Einige deutschen Lieferanten:
Gut und auch mit kleinen gesuchten Winzern und (bis vor
kurzem) weit zurück in die 1960-er bestückt ist Stefan Töpler: http://www.barolobrunello.de
www.superiore.de ist sehr kompetent und wirklich gut
sortiert, liefert prompt und hat 38 verschiedene Top-Weingüter aus Montalcino gelistet, die meisten mit voller Produktpalette, also vom Rosso über Brunello bis zur Riserva. Vom hoch bewerteten „Einsteiger-Brunello” von Caparzo um
28,90.—bis zum gesuchten „Cerretalto” 2015 von Casanova di Neri um 379.--
Besagten „Cerretalto” 2015 gibt es beim mit 14 hochkarätigen Weingütern vertretenden „Lobenbergs Gute Weine” gleich um 50.--
Euronen günstiger, und zwar hier: https://www.gute-weine.de/suche/?tx_solr%5Bpage%5D=2&tx_solr%5Bq%5D=Brunello&tx_solr%5Bsort%5D=producer+asc
Bestellen kann man natürlich direkt in Montalcino:
http://www.enotecadipiazza.com ... einer der größten online Brunello Händler der gleichnamigen Vinothek aus Montalcino mit SAGENHAFTEN
Angeboten, inklusive vielen „Old Vintage” Weinen. Superschnelles Service, mehr oder weniger Ab-Hof Preise und für 26.-- wird ein 6-er Karton express nach Österreich zugestellt. (Auf Bitte besorgt man fast Alles!)
Oder bei www.winebrunello.com
oder bei http://www.dalmazio.com
Eine neue Empfehlung ist Gianluca Turchis Handlung www.wineandpassion.it
Zu empfehlen ist auch TANNICO, mittlerweile einer
der größten Online-Händler der Welt, preislich allerdings eher heftig.